Kennen Sie noch den Spruch vom Unterschied zwischen sizilianischen und französischen Weinen? Nein? Also: Im Sizilianer hats keinen Franzosen. Das Bonmot entstand wohl in den 1960er-Jahren. «Ein Kollege von mir stand damals am Strand im Süden der Insel und sah da vermeintliche Ölrohre, die ins Meer hinausführten», erzählt der Vinum-Weinjournalist Christian Eder. «Doch die Rohre entpuppten sich als Wein-Pipelines. Durch diese floss Wein direkt von den Kellereien auf Tankschiffe.» Die Tankschiffe wiederum versorgten Kellereien in halb Europa mit der sogenannten «Kellermedizin». Diese Medizin war dazu gedacht, mittelmässigen Rebensäften auf die Beine zu helfen.
Tempi passati. Inzwischen verkaufen die Sizilianer ihre Weine unter eigenen Namen, denn die 1980er-Jahre brachten einen Quantensprung. «Innovative Winzer gründeten nicht nur neue Weinhäuser, die heute wichtig sind. Sie brachten auch Sorten wie Merlot, Syrah oder Cabernet Sauvignon auf die Insel», weiss Eder. Diese Sorten gedeihen optimal. Doch wenn etwas in Sizilien Bestand hat, dann ist es die Veränderung und in den 90er-Jahren gab es eine Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln. «Die Traubensorte Nero d’Avola kannte man ja schon, aber dann wiederbelebte man den Anbau mit den weissen Sorten wie beispielsweise Inzolia, Cataratto, Grillo oder Grecanico.» Bei den Roten sind diese Wurzeln die burgunderähnlichen Frappato oder – etwa am Ätna, wo der Anbau bis auf 1100 Meter hinauf geht – die Nerello Mascalese oder die Nerello Cappuccio. Ganz in der Tradition Siziliens kommen einige dieser Sorten rein und unverschnitten auf den Markt. Denkt der Mitteleuropäer an Sizilien, tauchen vor seinem geistigen Auge reflexartig Bilder aus Mafia-Filmen auf. Eder winkt ab. «Im Weingeschäft ist heute nur noch wenig zu verdienen. Meine Freunde auf Sizilien sagen alle, dass die Mafia a) nicht mehr auf der Insel und b) schon gar nicht mit Wein das grosse Geld macht.» Sauberer Weinhandel und reiner Wein also, denn Sizilien hat bereits zum nächsten Quantensprung angesetzt, hin zur Regionalität und hin zu Bio. «Viele Winzer suchen im Massenmarkt die Nischen. Sie keltern mit kleinen Mengen und mit Traubensorten, welche schon zu römischen Zeiten bekannt waren und möglicherweise von den Griechen stammen», so Eder. Sizilien war im Altertum ja eine griechische Kolonie.
Und dann eben Bio: «Immer mehr Weinbauern setzen auf die biologische oder biodynamische Methode», weiss Eder. Die Insel sei dank des Klimas dafür prädestiniert. Ist Bio die Zukunft? «Nicht die Zukunft, die Gegenwart, auch wenn nichts davon auf der Etikette steht.» Manche kleinere Produzenten könnten sich die Zertifizierung nämlich gar nicht leisten. «Aber gute Weine können nur ohne Chemie entstehen – das gilt nicht nur für Sizilien.»Rundherum nur blaues Meer. Kein Wunder, entstehen in Sizilien gute Tropfen.